Die K1200LT Bremse
BMW verbaut in der Serienausstattung bei der K1200LT seit jeher ein ABS Bremssystem. Dies seit der Maschineneinführung 1999.
Zunächst in der ABS 2 Version mit Brembo Festsattel 4-Kolben mit 2 schwimmenden Bremsscheiben-Ø mm 305 vorne und bei der Hinterradbremse einen Festsattel 4-Kolben mit schwimmender Bremsscheibe-Ø mm 285. Als Bremsbelag vorne dient hierbei Sintermetall und organischer Belag hinten. Das Motorrad ist mit dieser Bremsaustattung zwar sicher zu bewegen und zum Stehen zu bringen, jedoch sind recht hohe Handkräfte nötig. Bei hoher Belastung und Bergetappen wünscht sich der Fahrer eine bessere Bremsperformance. Berichten von Fahrern zu Folge gab es hier auch Bremsausfälle der Hinterradbremse durch kochende Bremsflüssigkeit. Die von 1999 bis 2001 verbaute Bremsanlage hatte bereits das ein typisches Merkmal: Die Bremsen, insbesondere die Hinterradbremse neigen zum quietschen. Hier konnte BMW bislang nie echte Abhilfe schaffen. Weder Kupferpaste noch Kanten brechen oder neue Scheiben und Beläge schaffen Abhilfe.
Bremsflüssigkeitssorte ...............................DOT 4
Anziehdrehmomente alte Bremsanlage vorne:
Bremssattel an Gleitrohr............................... 40 Nm
Bremsschlauch an Bremssattel.................... 18 Nm
Gewindestift in Befüllschnittstelle ................. 10 Nm
Entlüfterschraube......................................... 10 Nm
Bremsscheibe an Vorderrad(Gewinde reinigen + Loctite 243).................. 21 Nm
Anziehdrehmomente alte Bremsanlage hinten:
Bremssattel an Hinterradantrieb................... 40 Nm
Bremsschlauch an Bremssattel.................... 18 Nm
Entlüfterschraube an Bremssattel................. 10 Nm
ABS-Sensor an Bremssattel........................... 4 Nm
Bremsscheibe an Hinterradantrieb
(Gewinde reinigen + neue Schrauben).......... 21 Nm
Bremssattel an Hinterradantrieb................... 40 Nm
Sensorabstand .............................. 0,45...0,55 mm
Seit Anfang 2001 gibt es nun die K1200LT mit einer neuen Bremsanlage. Hier kommt das ABS3 zum Einsatz. Die Bremse selber ist nun die EVO Bremse. Die Maschine verfügt nun über eine elektrische Bremskraftverstärkung und eine Integralbremsfunktion. Wesentliche Bestandteile sind:
Technisch sieht die Bremsanlage nun wie folgt aus:
Bremse vorne: EVO-Bremsanlage 4-Kolben-Festsattel mit 2 schwimmend gelagerte Bremsscheiben, Durchmesser 320 mm. Bremse hinten: Einscheibenbremse, schwimmend gelagerte Bremsscheibe, Durchmesser 285 mm, 4-Kolben Festsattel
Mit der neuen Bremsanlage lässt sich die K1200LT deutlich besser Bremsen und Verzögern. So benötigt man für eine ordentliche Bremsung nur noch 2 Finger, was gegenüber dem Vorgängersystem eine deutliche Handkraftverringerung bedeutet. Die Maschine lässt sich wegen der höheren Sicherheitsreserven deutlich agiler bewegen. Hierbei unterstützt die dynamische Bremskraftverteilung und Integralfunktion deutlich.
Technischer Hintergrund:
(Zitat BMW) Im zentralen Druckmodulator der Integralbremse ist
die Steuerelektronik sowie die Hydraulik des Bremskraftverstärkers und des
Antiblockiersystems untergebracht. Insgesamt drei Prozessoren sorgen für eine höchstmögliche
Sicherheit des Systems. Zwei Mikroprozessoren steuern parallel das Regelsystem,
ein dritter dient der Überwachung. Bei jedem Einschalten der Zündung führt
das System einen Selbsttest durch, während dessen die ABS-Kontrolllampen im
Cockpit blinken. Sie schalten sich automatisch ab, wenn das System fehlerfrei
arbeitet und mindestens 4 km/h Geschwindigkeit erreicht sind. (Ende Zitat BMW)
Im folgenden möchten wir näher auf die einzelnen Funktionen und Vorteile der Bremse eingehen:
Der Bremskraftverstärker baut mittels einer elektro-hydraulischen Pumpe pro Radbremskreis den Bremsdruck sehr zügig auf. Der Bremskraftverstärker garantiert einen deutlich schnelleren Aufbau des Bremsdrucks, verringert zusätzlich die Betätigungskräfte. Es verkürzt sich ebenso der Bedienweg. Hierbei hat man besonders bei der Schreckbremsen den Vorteil wesentlich früher in den Genuss der Verzögerung zu kommen. Während bei der alten Bremsanlage noch nichts passiert verzögert das neue Bremssystem bereits, da es durch den kürzeren Bedienweg und den schnelleren Druckaufbau deutlich Zeit gewinnt. Aber nicht alles ist nur gut: Viele Tester die erstmalig mit dem neuen Bremssystem unterwegs waren bemängelten die schlechtere Dosierbarkeit des Systems. Dies ergibt sich logischerweise durch den steileren Anstieg des Bremsdruckes. Besonders der Tritt auf das Hinterradbremspedal staucht das Motorrad sehr plötzlich zusammen, da der Fuß deutlich weniger sensibel agieren kann. Insbesondere beim langsamen fahren und Wenden kann ein ungeübter Tritt auf die Hinterradbremse schnell zum Umfaller führen. Dies wird dadurch unterstützt, dass die Vorderradbremse mit verzögert wird. gerade bei langsamen Kurvefahrten knickt das Motorrad dann schnell zum Kurveninneren weg anstatt sich durch die Hinterradbremse zu stabilisieren. Hier muss man jedoch sagen: Sowohl Dosierung als auch das langsame Fahren sind nach einer gewissen Eingewöhnungsphase gut zu handhaben.
Um eine optimale maximale Verzögerung zu erreichen müssen bei einem Motorrad beide Räder mit maximaler Kraft gleichzeitig verzögert werden. Hierbei darf das Rad jedoch nicht blockieren um nicht die Bremswirkung zu verlieren. Naturgemäß wird das Hinterrad bei einer Vollbremsung deutlich entlastet und verliert dadurch Haftung. Eine optimale Bremsung ist dann nicht mehr möglich.
BMW kontert hier mit der dynamischen Bremskraftverteilung. Eine den physikalischen Gesetzmäßigkeiten angepasste Bremskurve ist in der Regelelektronik des Bremssystems abgespeichert. Diese Bremskurve wird durch den Beladungszustand des Motorrades beeinflusst. Das System berechnet blitzartig die für die Bremssituation passende Bremskraftverteilung und lernt dabei für die nächste Bremsung den optimalen Wert. Es kann den Beladungszustand an dem Zeitpunkt erkennen, an dem ein Rad zum Blockieren neigt: ist das Motorrad schwerer, blockiert das Rad später, ist es leichter, blockiert es früher.
Durch die Intergralfunktion sind die Bremskreise der Vorderradbremse und der Hinterradbremse miteinander verbunden. Egal ob Fuß oder Handbremshebel betätigt werden: Es bremsen immer beide Bremsen. Die Bremskraftverteilung wird elektronisch berechnet. Hierdurch erreicht man immer den maximalen Verzögerungswert. Besonders bei der Betätigung der Fußbremse ist das gewöhnungsbedürftig, da diese das Motorrad sehr heftig verzögern kann.
Und wieder ist das Regelsystem in den Intervallen schneller geworden: In weniger
als 80 ms wird der Bremsdruck so weit abgesenkt, dass das Rad sich wieder drehen
kann. Bei Bedarf reduziert die Regelsoftware diese Zeit nochmals auf 50 ms.
Hierbei bemerkt der Fahrer im optimalen Falle das Einsetzten des ABS kaum noch.
Stokkerei und Pumpende Hebel gehören tatsächlich der Vergangenheit an.
Sie verfügt über größere Bremsscheiben und neue 4 - Kolben - Festsattelbremszangen mit je zwei größeren Kolben. Bei gleicher Betätigungskraft ermöglicht diese Bremse durch eine günstigere Hebelwirkung 20% mehr Bremskraft.
Um die Tradition zu erhalten quietscht auch die neue Evo Bremse insbesondere hinten ganz deutlich. Gegenüber der Vorgängerbremse hat man hier sogar noch zugelegt. Der ein oder andere meint ein Güterzug rolle wenn der LT Fahrer bremst. Hier wurden schon viele erfolglose Dinge versucht um Abhilfe zu schaffen. Letztlich bietet BMW derzeit eine geänderte Bremsscheibe mit mehr Befestigungsstegen/nieten um einen anderen Resonanzpunkt zu erzielen. Die alte Scheibenversion hat 7 Nieten die neue Version hat 10 Nieten. Aber Vorsicht: Bei den Versionen mit den 10 Nieten gibt es wiederum unterschiedliche Versionen. Nur die neueste Version scheint dem Quietschen Einhalt zu gebieten. Hierbei sind die Ergebnisse aber noch nicht eindeutig positiv. Die IG K1200LT verfolgt den Fall aber weiter, die ersten Fahrer berichten von erneutem Quietschen nach ca. 1300 Km Fahrleistung mit der geänderten Bremsscheibe.
Die Scheibenversionen mit den 10 Nieten sehen wie folgt aus:
Links die "alte" rechts die "neue" Scheiben. Die neue Scheibe verfügt nicht über den inneren Rand und hat an einigen Nieten Ausfräsungen. (Auf dem Bild nicht so gut zu sehen) Scheibe ist an der Niete bei der der Schatten beginnt ausgespart (Siehe Detailphoto unten). Die Neue "10er" Scheibe soll nicht mehr quietschen. Warten wir es ab.
alte Scheibe (aber schon 10er)
neue Scheibe.
Danke an Peter Raab für die anschaulichen Photos!